Aus Verbrauchersicht spielt Nachhaltigkeit beim Pflanzenschutz eine immer wichtigere Rolle. Die Herausforderung: Unerwünschte Eindringlinge vertreiben, aber gleichzeitig Pflanzen und Umwelt schützen. Am POS sollten solche Aspekte gleich erkennbar sein.
Der biologische Pflanzenschutz hat in den vergangenen 30 Jahren nicht nur in der Land- und Forstwirtschaft stark an Bedeutung gewonnen. Auch im Haus- und Kleingartenbereich sind immer stärker die Lösungen gefragt, die das Grün auf natürliche Weise vor Krankheiten und Schädlingen schützen. Möglicherweise werden chemische Pflanzenschutzmittel schon bald keine Zulassung mehr für den Hausgarten erhalten, wie es bereits in Frankreich der Fall ist. Aus diesem Grund erweitern die Hersteller ihr Produktsortiment kontinuierlich um Mittel mit biologischen Wirkstoffen aus der Natur.
Ein verantwortungsvoller und nachhaltiger (sogenannter „integrierter“) Pflanzenschutz ist in der gärtnerischen Produktion bereits an vielen Stellen verankert. Denn aufgrund sich wandelnder klimatischer Bedingungen wird es immer wichtiger, Pflanzen bestmöglich mit biologischen Maßnahmen auf Stresssituationen vorzubereiten. Gerade bei Herbiziden ist außerdem die Sensibilität der Verbraucher sehr gestiegen.
Bei Insektiziden ist ihnen zunehmend wichtig, dass Bienen und andere nützliche Insekten nicht geschädigt werden . Ausschlaggebend dafür ist, dass der Schutz von Bienen und Insekten in den Medien immer präsenter wird. Trotzdem ist dem Hobbygärtner wichtig, dass die natürlichen Alternativen funktionieren und effektiv sind: Bei rund 80 Prozent von ihnen steht eine zuverlässige und schnelle Wirkung im Vordergrund. Jetzt gilt es im Handel, auch Verbrauchern dieses wichtige Thema näherzubringen.
Leitlinie aktualisiert
Im Gartenfachhandel sind Verkäufer gesetzlich zur Beratung über Pestizide verpflichtet und sollten sich am POS an der Aufklärung zum biologischen Pflanzenschutz beteiligen. Eine Orientierungshilfe gibt ihnen die neue „Sektorspezifische Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz im Haus- und Kleingartenbereich“. Sie wurde kürzlich von der sogenannten „Kasseler Runde“ aktualisiert, zu der unter anderem der Verband Deutscher Garten-Center (VDG) und der Industrieverband Garten (IVG) zählen. Die Leitlinie fördert den bewussten und verantwortungsvollen Pflanzenschutz in Privatgärten und gibt einen zeitgemäßen Handlungsrahmen für nachhaltiges Gärtnern vor. Einzusehen ist sie unter anderem auf der Internetseite des IVG.
Neues vom biologischen Pflanzenschutz
Mit gutem Beispiel voran
Das Gartencenter Pflanzen-Kölle tritt bereits seit vielen Jahren für umweltschonendes und nachhaltiges Gärtnern ein: „Die Verkaufsstrategie von Gartenbedarf, Pflanzenschutz und Pflegeprodukten in unseren Gartencentern ist bereits seit Jahren auf den Verzicht von Pestiziden abgestimmt“, berichtet Ulrike Rothhaar, Assistentin der Geschäftsführung. „Unser Ziel ist die Aufklärung der Kunden zum biologischen Pflanzenschutz und der Verzicht auf Chemie durch Pflanzenstärkung, Bodenverbesserung, Düngung und Schädlingsabwehr.“ Das Thema Nachhaltigkeit sieht Rothhaar nicht als Modeerscheinung oder Trend, sondern als unaufhaltsame Entwicklung, die alle Betriebe mitgehen müssen, die weiterhin erfolgreich produzieren und verkaufen wollen.
Gemeinsam mit der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 startete Kölle bereits im April 2019 eine Initiative , die ein aktives Eindämmen von Pflanzenschutzmitteln in der Zierpflanzenproduktion zum Ziel hat. Im Rahmen der Initiative fordert der Gartencenter-Betreiber seine Lieferanten auf, Pflanzenschutzmittel im Allgemeinen zu reduzieren sowie auf bestimmte Mittel gänzlich zu verzichten.
Die Herausforderungen für die Branche sind laut Rothhaar groß: „Es werden weniger Mittel neu zugelassen, es fallen Wirkstoffe weg. Hier muss an vielen Stellen eine andere Strategie gefunden werden – sei es zum Pflanzenschutz selbst, den Kulturen oder dem Sortiment. Auch hier ändern sich ja die Bedürfnisse der Kunden, nicht zuletzt durch den Klimawandel.“ Das Verständnis, dass Pflanzenschutz auch nachhaltig sein kann, könne man beim Verbraucher nicht immer voraussetzen. „Nachhaltiger Pflanzenschutz heißt für viele Verbraucher, dass gar nicht gespritzt wird. Die Argumentation, dass ein Mittel zum Beispiel nützlingsschonend sein kann, ist teilweise schon zu fachlich.“ Auf der Verkaufsfläche sollten Nachhaltigkeitsaspekte deshalb immer gut kommuniziert und erklärt werden.
Natürlich schädlingsfrei
Zu den derzeit hartnäckigsten Schädlingen im Hausgarten zählt auch in dieser Gartensaison der Dickmaulrüssler . Er befällt in erster Linie Zierpflanzen wie zum Beispiel Rhododendron, Flieder, Kirschlorbeer oder Rosen, aber auch Erdbeeren, Wein und andere Beerenfrüchte. Besonders gefährdet sind junge Pflanzen. Am effektivsten hat sich die biologische Bekämpfung der Larven mit parasitären Nematoden (Fadenwürmern) erwiesen, die in diesem Fall als Nützlinge eingesetzt werden. Nematodenprodukte sind für Pflanzen, Tiere und Menschen ungefährlich.
Auch andere verbreitete Schädlinge wie Trauermücken, Erdraupen, Schnecken oder Apfelwickler können mit Nematoden schnell, einfach und wirkungsvoll bekämpft werden. Im Trend liegen außerdem neuartige Mittel auf Basis von natürlichen Pilzen, Bakterien und Viren. Gegen Raupen, wie die des gefürchteten Buchsbaumzünslers, sind insbesondere Produkte gefragt, die das Bakterium ‚Bacillus Thuringiensis‘ enthalten. Biologische Mittel mit Neem- oder Rapsöl helfen als natürliches Insektizid unter anderem gegen Spinnmilben und Blattläuse.
Natürlich gesund
Grundstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen wie Sojabohnen, Sonnenblumen oder Brennnesseln gewonnen und normalerweise in der Lebensmittelindustrie verwendet werden, können dank einer neuen EU-Richtlinie auch bei Pflanzenkrankheiten helfen . So bildet zum Beispiel Soja-Lecithin mit Wasser verdünnt eine natürliche Schutzschicht vor Pilzen. Das Konzentrat entzieht angesiedelten Pilzsporen die Feuchtigkeit und sorgt dafür, dass die Keimbildung geschädigt wird und Pilzkeime sich nicht weiter ausbreiten können.
Abhilfe bei hartnäckigen Unkräutern wie Giersch oder Ackerschachtelhalm schaffen innovative Wirkstoffkombinationen aus Fettsäure (Pelargonsäure) sowie einem geringen Anteil des Wachstumsregulators Maleinsäurehydrazid. Da diese besondere Duo-Wirkung nicht nur den oberirdischen Pflanzenteil bekämpft, sondern bis tief in die Wurzel vordringt, können entsprechende Mittel eine ähnlich effektive und langanhaltende Wirkung wie Glyphosat erzielen.
Natürlich gestärkt
Die Nachfrage nach Pflanzenstärkungsmitteln nimmt stark zu, was beweist, dass bei Verbrauchern allmählich ein Umdenken einsetzt. Denn wer seine Pflanzen gesund ernährt und vorbeugend vor Schaderregern schützt, benötigt weniger Pflanzenschutzmittel. Auch hier ist der Handel gefragt, die Verbraucher entsprechend zu beraten. So enthalten zum Beispiel natürliche Pflanzenaktivatoren auf Basis des Bakteriums ‚Bacillus subtilis‘ lebende Mikroorganismen. Sie erhöhen die Bodenaktivität, indem sie die in der Erde vorhandenen beziehungsweise durch Dünger zugeführten Nährstoffe so aufbereiten, dass sie von den Pflanzen leichter aufgenommen werden können. Das Ergebnis sind widerstandsfähige und dauerhaft gesunde Pflanzen.
Der Hobbygärtner mit Gemüsegarten ist aber auch daran interessiert, welche Sorten man zusammenpflanzen kann, um eine wirkungsvolle Mischkultur anzubauen. Denn durch die richtige Paarung von Kräutern und Gemüse ergibt sich automatisch ein natürlicher Schutz vor Krankheiten und Schädlingen. Bei der Beratung sollten Händler außerdem auf eine ausreichende Düngung zur Stärkung der Pflanzen hinweisen.