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Eins, zwei, drei – alle Plätze sind besetzt: Zum Auftakt begrüßt der Marktleiter die Damen und erklärt den Ablauf. (Quelle: Silvia Schulz)

Handel 19. November 2019 Ladies Night bei Hellweg: Kreativität bleibt auf der Strecke

Kreative Wandgestaltung mit Farbe kann so einfach sein. Wandfarbe zaubert schnell neue Stimmung in Haus und Wohnung. Ärgerlich, wenn dann beim Workshop das kreative Verkaufen die kreative Gestaltung schlägt. Ein Besuch der Ladies Night bei Hellweg in Schwielowsee.

Zuerst die gute Nachricht: Die meisten Teilnehmerinnen sind nicht zum ersten Mal hier. Sie wissen, was sie wollen. Baumärkte laden ein. Frauen kommen, haben einen abwechslungsreichen Abend und kommen im besten Fall wieder. An dieser Stelle könnte der Besuchsbericht der Ladies Night bei Hellweg in Schwielowsee enden. Wenn da nicht das kleine Wörtchen „wenn“ wäre.

Das Versprechen

Auf der Webseite des Baumarktes heißt es: „Wir veranstalten einen Abend exklusiv für unsere Kundinnen, die ihre Projekte selbst angehen wollen. Seien Sie dabei und lernen Sie von Fachberatern oder unserem geschulten Personal in verschiedenen Workshops alles rund ums Thema Heimwerken kennen.

Für einen kleinen Einblick in unsere vergangenen Workshops können Sie sich gerne unser Video ansehen!“ Und Klick: Der Film verspricht einen unterhaltsamen Abend, Spaß, Erfahrung und neue Erkenntnisse. Hand in Hand. Learning by doing. Ein Kurs beinhaltet: Erläuterung, Vorführung und das Selbst-Ausprobieren. Für die vermittelten Inhalte gibt es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Unterstützt wird das Hellweg-Team an diesem Abend durch Fachberater der Lieferanten.

Frauen melden sich für zwei Kurse à einer Stunde an. Eine kleine Stärkung, ein kühles Getränk und die Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen – das ist die Ladies Night. Der Höhepunkt ist die Verlosung von Geschenkgutscheinen.

Im Film gibt es nur glückliche Gesichter, und das nicht nur bei den Ladies, auch die Mitarbeiterschaft strahlt um die Wette. Da muss die Handwerker-Frau in spe sich und ihre Freundin – denn die meisten kommen im Doppelpack – anmelden, um einen schönen Abend abseits des täglichen Wahnsinns zu verbringen. Soweit die Theorie.

Die Realität

Für die Ladies Night in Schwielowsee kann maximal ein Workshop angekreuzt werden. Der Kurs „Bastelbeton – Kreativ“ war bei unserer Anmeldung bereits ausgebucht. Wir entscheiden uns für „Farben/Wandgestaltung“. Ankreuzen, ausfüllen und klicken. Erledigt. Schon lesen wir am Bildschirm: „Vielen Dank für Ihre Anmeldung, wir werden Sie über den genauen Ablauf informieren!“ Darauf warten wir noch heute.

Wenige Minuten später kommt die Mail mit der Bestätigung. Hier heißt es: „Wenn Sie nicht alleine kommen möchten, können Sie über den folgenden Link gerne noch eine Freundin anmelden.“ Ein freundlicher Hinweis. Ist es nicht einfacher, im Vordruck Platz für eine Nachricht wie „Wir kommen zu zweit“ zu lassen? In der Mail lesen wir weiter: „Sollten sich kurzfristig Änderungen für den Ablauf der Ladies Night ergeben, werden wir Sie selbstverständlich rechtzeitig informieren. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!“

Angemeldet haben wir uns am 2. Mai. Bis zur Veranstaltung am 5. Juli hören wir nichts. Daher surfen wir am Tag des Workshops nochmals kurz durchs Web. Und siehe da: Hellweg macht auf die Straßensperrung und die damit verbundene Umleitung aufmerksam. Prima.

Noch serviceorientierter wäre eine Mail ein, zwei Tage vor der Veranstaltung, die an die Ladies Night erinnert und über die Straßensperrung informiert. Zumal nicht jede der Ladies ständig im Netz unterwegs ist. Online informieren, was offline ansteht, ist die ideale Verknüpfung.

Der rote Teppich

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Ein Hauch von Hollywood: der rote Teppich vor dem Baumarkt. (Quelle: Silvia Schulz)

Freitagabend. Der Parkplatz ist so gut wie leer. Ein Aufsteller weist den Ladies den Weg. Sie schreiten wie Meryl Streep und Helen Mirren über den roten Teppich. Vor der Tür nimmt der Marktleiter sie in Empfang. Dank Liste begrüßt er jede Teilnehmerin persönlich. Besser geht’s nicht, sagte einst Jack Nicholson im gleichnamigen Film zu Helen Hunt.

Doch sie bewies, besser geht’s immer. Auch bei Hellweg ist das möglich. Da sich jede Teilnehmerin mit Name anmelden muss, ist es doch ein Leichtes, Wiederholungsbesucherinnen in der Liste zu kennzeichnen. Wenn sie dann mit „Schön, dass Sie wieder bei der Ladies Night dabei sind“ begrüßt werden, kann der Abend nur gut werden.

An der nächsten Station bekommen wir ein T-Shirt. Viele ziehen es gleich an. Die Teilnehmerinnen jenseits der Konfektionsgröße 38 bedauern, dass es nur Mode für Models gibt. Das ist bitte nicht als Aufforderung zu verstehen, die Konfektionsgröße abzufragen, sondern vielmehr, die meistgetragenen Größen in entsprechender Anzahl vorrätig zu halten. Ein Fruchtcocktail aus ganz viel Eis und Früchten erfrischt. Eins, zwei, drei – alle Plätze sind besetzt. Los geht‘s. Der Marktleiter begrüßt und erklärt den Ablauf.

Die Fachabteilung

Wir Ladies werden in die Abteilung begleitet. Ruckzuck sind die ersten drei Bänke belegt. Eine von uns will sich auf Bank vier setzen. Genau in diesem Moment bricht sie zusammen. Die Bank. Und das nicht etwa, weil die Dame ein Schwergewicht ist. Die Bank ist nicht korrekt aufgebaut. So ein Missgeschick sollte auf keinen Fall passieren.

Auf einem Bistrotisch stehen Getränke und Knabbereien. Schutzoveralls, Handschuhe und Überzieher liegen parat. Mit den Overalls ist es wie mit den T-Shirts: Einheitsgröße XXL, made in China. Eine etwas fülligere Frau zwängt sich in den Overall. Wer A sagt, muss auch B sagen. Sie muss den Abend über stehen bleiben, sonst platzt sie aus allen Nähten. Daher auch hier die Bitte: Overalls in allen Größen bereitstellen!

Jetzt geht‘s los. Die externen Fachberater, Tochter und Vater, ergreifen das Wort. An ihren T-Shirts und den aufgebauten Produkten ist zu erkennen, welche Marke sie vertreten: „Vincent“. Schon mit dem zweiten Produkt avanciert der Workshop zur Verkaufsveranstaltung. Produkte anderer Marken werden bis auf eine Ausnahme nicht vorgestellt. Es spricht natürlich nichts gegen eine Eigenmarken-Show, doch dann ist die vielleicht auch so anzukündigen?

Als es um die Deckkraft weißer Wandfarbe geht, tritt „Vincent“ gegen die günstige Preiseinstiegsmarke „Basic“ an. Um die Qualität von „Vincent“ zu unterstreichen, instrumentalisiert die Fachberaterin den Hellweg-Mitarbeiter, zu sagen, dass er die „Basic“-Farbe nie kaufen würde, auch wenn sie günstig ist.

Die Pause

Halbzeit und Pause. Das aufgebaute Buffet sieht lecker aus. Die Handwerkerinnen greifen beherzt zu. Nach der Stärkung startet der Nagel-Wettbewerb. Wiederholungs-Teilnehmerinnen stellen sich schnell an. Alle wollen die Vorgabe (Schlaganzahl) des Marktleiters beim Nageln unterbieten. Doch keine schafft‘s. Der Hausherr strahlt. Fürs Mitmachen gibt es einen Zollstock.

Nachdem der letzte weg ist, dürfen sich die Verliererinnen am Ramschwagen bedienen. Ramschwagen, weil es sich augenscheinlich um längst ausgelistete Waren handelt, die auch zum Schnäppchenpreis nicht mehr über die Ladentheke gehen. Die angebotenen Artikel versprühen den Charme eines Ein-Euro-Shops, aber nicht den von Hellweg, finden zumindest die Tester. Aber der Wurm muss dem Fisch schmecken: Die meisten der Teilnehmerinnen greifen zu.

Die zweite Halbzeit

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An verschiedenen Stationen stellen die Teilnehmerinnen ihr DIY-Talent unter Beweis. (Quelle: Silvia Schulz)

Wie im ersten Teil geht es im zweiten weiter. Die Fachberaterin empfiehlt ein Produkt nach dem anderen der Marke „Vincent“. Der Fachberater kommt nur zu Wort, wenn seine Tochter ihn anspricht. Alle Produkte von der Vorbehandlung bis zum Glitzer reicht sie durch die Reihen. Getreu dem Motto: Je mehr Sinne angesprochen werden, desto höher ist die Chance eines späteren Kaufs.

Aus verkaufspsychologischer Sicht bestens, aber unter dem angekündigten Thema nicht angebracht. Denn egal, ob wir bei Wikipedia oder im Duden nachlesen, unter Gestaltung ist das Gestalten, das Gestaltet sein zu verstehen. Als Beispiele werden „die geschmackvolle Gestaltung einer Galerie“ und „die äußere Gestaltung einer Zeitschrift“ angeführt. So haben die Tester das Thema auch verstanden.

Aber bis auf Tipps zur Wandvorbereitung, zum sauberen Streichen und wie bei Wasserschäden vorzugehen ist, die zweifelsohne alle hilfreich sind, kann von Wandgestaltung nicht die Rede sein. Wandgestaltung ist mehr, als Glitzer in Farbe zu rühren und eine Wand damit zu streichen. Für den Aufsatz in der Schule hätte es ein ungenügend gegeben: Thema verfehlt.

Um sicherzustellen, dass die Teilnehmerinnen auch die vorgestellten Produkte kaufen, geht es dorthin, wo sie im Baumarkt platziert sind. Beim nächsten Mal ist es ratsam, sich im Vorfeld von Präsentation, Sauberkeit und Präsenz zu überzeugen. Denn das Regal ist eine schlechte Visitenkarte.

Die spärlich gestellten Fragen beantwortet die Fachberaterin. Da nicht viel vorgeführt wird, hält sich das Interesse, den Pinsel selbst zu schwingen, in Grenzen. Kaum eine hat noch ihren Overall an. Dafür regt sich der Jagdinstinkt. Nachdem die Ladies sich von der Qualität der vorgeführten Produkte überzeugt haben, kommt die Schnäppchenjägerin zutage.

Auf Bitten einiger macht sich der Hellweg-Mitarbeiter auf und fragt den Chef. Die Antwort sinngemäß: Es kann nichts verkauft werden, da keine Kasse mehr offen ist. Aber gegen eine angemessene Spende für das soziale Engagement von Hellweg können die angebrochenen Produkte mitgenommen werden. Ein bisschen Handeln wie auf dem Basar, und schon gehen drei Teilnehmerinnen glücklich nach Hause.

Der Höhepunkt

Dem Höhepunkt des Abends fiebern einige der Damen mit Spannung entgegen. Der Marktleiter verlost drei Gutscheine. Die Gewinnerinnen freuen sich sehr. Eine meint, dass es schön wäre, ihn gleich hier und heute einlösen zu können. Eine andere: „Die Gewinne sind ganz schön mickrig. Anderswo gibt es eine Kreuzfahrt zu gewinnen.“ Wieder eine andere kontert: „Dann geh‘ das nächste Mal doch da hin. Uns gefällt es hier. Wir kommen wieder.“

Als ob der Marktleiter dies gehört hat, fordert er uns zum Wiederkommen auf und weist auf das Ausfüllen der Evaluierungsbögen hin, die auf den Tischen liegen. Prima. Doch nächstes Mal, lieber Marktleiter, stellen Sie sich bitte in die Mitte, denn Sie sind am anderen Ende kaum zu verstehen.

Am Eingang, der jetzt der Ausgang ist, verabschiedet der Chef jede Teilnehmerin persönlich und übergibt eine Hellweg-Tüte. Darin nicht nur Katalog, Kugelschreiber, Schlüsselanhänger, Zimmermannsbleistift, Flyer für die Ladies Night und das soziale Engagement von Hellweg, sondern mehr: ein 20-Prozent-Gutschein für die Folgewoche auf alle Produkte in diesem Baumarkt, eine Gutscheinkarte im Wert von 5 Euro für jeden Hellweg. Die Urkunde für die erfolgreiche Teilnahme am Workshop hatten die Ladies schon. Eine witzige Idee. Danke!

Danke auch für einen unterhaltsamen Abend. Zum Schluss noch ein Tipp: Ein Dankeschön per Mail kann nie schaden und animiert zum Wiederkommen.

Ladies Night, Woman‘s Night oder auch Woman@Work: So gut wie jeder Baumarkt bietet DIY-Kurse ausschließlich für Damen an. Dabei soll angehenden Heimwerkerinnen unter die Arme gegriffen werden. Sie erlernen grundlegende, aber auch spezifische DIY-Fähigkeiten. So werden die Kurse jedenfalls beworben. Aber halten die Baumärkte auch, was sie versprechen? Geht es wirklich um die Vermittlung von Theorie und Praxis? Oder stehen eher Entertainment und der Genuss des einen oder anderen alkoholhaltigen Getränks im Vordergrund? Bisweilen, so ist zu hören, sollen auch schon mal Männertanzgruppen zur Belustigung der Heimwerkerinnen aufgetreten sein. Dagegen ist auch nichts einzuwenden – Kundenbindung kann auf verschiedene Art und Weise funktionieren. Aber wird das dem eigentlichen Anspruch gerecht?
zuletzt editiert am 25.06.2021