LKW
Das Streckengeschäft gehört zuden modernen Vertriebsformen. (Quelle: Foto: Andreas Hermsdorf, pixelio)

Handel 2015-01-15T00:00:00Z Was auf der Strecke passieren kann

Das Streckengeschäft gehört zu den modernen Vertriebsformen. Den Vorteilen stehen indes eine Reihe von Risiken gegenüber, die Händler kennen sollten.

Viele Händler nutzen heutzutage moderne Logistik- und Vertriebsformen. Dazu gehört auch das sogenannte „Streckengeschäft“ (auch Streckenhandel, Drop-Shipping oder Direkthandel genannt). Hierbei erwirbt der Händler die Ware von seinem Lieferanten (Produzent,Groß- oder Zwischenhändler) und verkauft sie an seine gewerblichen Kunden oder Endverbraucher weiter. Die Lieferung erfolgt in der Regel unmittelbar an den Endkunden, ohne dass der Händler physischen Kontakt mit der Ware hat.

Zahlreiche Vorteile

Das Streckengeschäft bietet Händlern viele Vorteile: Der Händler muss keine kostenintensive Lagerbestände unterhalten. Er hat deutlich geringere Aufwendungen bei der Logistik, da er die Verpackung und den Versand der Ware spart. Die Ware wird nur einmal, direkt an den Endkunden, versendet, was auch mehr Nachhaltigkeitbedeutet. Schließlich ermöglicht diese Form des Handels das Ausnutzen unterschiedlicher Zahlungsziele, um die eigene Liquidität zu verbessern. Während der Endkunde die Ware in der Regel kurzfristig bezahlt(Lastschrift, Kreditkarte, Nachnahme), kann der Händler selbst längerfristige Zahlungsziele mit seinem Lieferanten verhandeln und mit dem Geld in der Zwischenzeit „arbeiten“.

Geschäfte mit Risiko

Diesen Vorteilen stehen erhebliche Risiken gegenüber, die sich durch vertragliche Vereinbarungen reduzieren lassen.Besonders problematisch ist die Überwachung der Warenqualität und Durchsetzungvon Gewährleistungsansprüchen, wenn sich beim Endkunden Waren mängel zeigen. Der Kaufvertrag zwischen dem Händler und seinem Lieferanten ist regelmäßig ein Handelskauf, für den die besonderen Vorschriften der §§ 373 ff. HGBgelten. § 377 Absatz 1 HGB verpflichtetden Verkäufer, die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer auf Mängel zu untersuchen und diese ebenso unverzüglich mitzuteilen. „Unverzüglich“ bedeutet im Juristenjargon „ohne schuldhaftes Zögern“. Binnen welcher Frist der Käufer untersuchen und etwaige Mängel an der Ware rügen muss, ist eine Frage des Einzelfalls; maßgeblich sind u. a. die Branche, die Art der Ware (verderbliche Waren) und derAufwand der Untersuchung (kompliziertetechnische Geräte). Gerichte sind bei der Beurteilung humorlos und gehen meist von kurzen Fristen binnen weniger Tage aus. Dies gilt für die Mängelanzeige noch mehr als für die Untersuchung.

§ 377 Handelsgesetzbuch

(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.
(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht
berufen.

Falle: Gewährleistung

Versäumt es der Händler, die Ware rechtzeitig zu untersuchen oder die festgestellten Mängel gegenüber dem Lieferanten anzuzeigen, verliert er seine Gewährleistungsrechte(§ 377 Absatz 2 HGB).Beim Streckengeschäft besteht für den Händler das Problem, dass er die Ware selbst nicht überprüfen kann oder etwaige Mängelrügen von seinen Endkunden zu spät mitgeteilt werden. Hierzu hat der Bundesgerichtshof just noch einmal klargestellt, dass der weiterverkaufende Händlerbei einem Streckengeschäft zwar die Untersuchung der Kaufsache seinem Kunden überlassen darf, dann aber auch dafür zu sorgen hat, dass der Kunde ihn oder den Lieferanten unverzüglich von Mängeln unterrichtet; bei einer vermeidbaren Verzögerung der Mängelanzeige muss sich der Händler den aus § 377 Abs. 2HGB folgenden Verlust seiner Gewährleistungsrechte von seinem Lieferanten entgegenhalten lassen (BGH, Beschlussvom 08.04.2014, Az.: VIII ZR 91/13).Dies ist deshalb kritisch, weil der Händler selbst gegenüber seinem Kunden weiterhin zur Gewährleistung verpflichtet ist.

Vertragszusätze einbauen

Diesem Problem sollte jeder Händler durch vertragliche Regelungen in seinen Verträgen begegnen: Gegenüber Lieferanten und Herstellern können durch individuelle Vereinbarungen längere Untersuchungs- und Rügepflichten vereinbart oder § 377 HGB sogar gänzlich ausgeschlossen werden. In allgemeinen Geschäftsbedingungen können zumindest längere Untersuchungspflichten für offene Mängel von bis zu zwei Wochen ab Entdeckung vereinbart werden. Ein gänzlicher Ausschluss der Rügepflicht für offene Mängel in den Einkaufsbedingungen der Händler dürfte dagegen unwirksam sein.Bei der Gestaltung der Vertragsklauseln ist große Sorgfalt geboten: Wer „spätestens“-Fristen für die Untersuchung vereinbart, bleibt trotzdem verpflichtet, entdeckte Mängel unverzüglich zu rügen. Gegenüber den Endkunden kann sich derHändler dadurch absichern, dass er seine gewerblichen Abnehmer verpflichtet, die Ware innerhalb der für den Händler geltenden Frist zu untersuchen bzw. zu rügen. Gegenüber Verbrauchern ist dies jedenfalls durch allgemeine Geschäftsbedingungen nicht möglich. Hier trägtder Händler das Mängelrisiko. Gerade im internationalen Geschäftsverkehr ist auf eine sorgfältige Prüfung der Untersuchungs- und Rügepflichten sowie eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung mit Lieferanten und Abnehmern zu achten. Wer sich hier auf die gesetzlichen Regelungen verlässt, wird dies womöglich später bedauern und sich wünschen, er hätte die Ware einmal selbst in den Händen gehabt.

§ 377 Handelsgesetzbuch

(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
(2) Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.
(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.
(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht
berufen.

Marc Oetzel, LL.M., RA, Stoffel Strunden Oetzel Dieth

Die Wirtschaftskanzlei Strunden und Partner mit Sitz in Köln berät mittelständische Handels- und Industrieunternehmen im In- und Ausland. Zu den Beratungsschwerpunkten ihrer Rechtsanwälte zählen vor allem das Recht der neuen Medien (IT-Recht, eCommerce, Social Media und Datenschutz), der Gewerbliche Rechtschutz (Marken- und Wettbewerbsrecht) sowie das Arbeitsrecht. Daneben verfügt die Kanzlei über langjährige Expertise im Leasing-, Bank und gewerblichen Mietrecht.  
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zuletzt editiert am 24. Juni 2021